Abiverleihung 2022 – endlich im Rahmen einer Veranstaltung, wenn auch unter Vorzeichen der Pandemie. Da die Teilnahme nur im begrenzten Rahmen möglich war, veröffentlichen wir hier die Rede des Elternbeirats zum Nachlesen.
Abi-Rede 2022
Liebe Abiturienten,
liebe Lehrerschaft,
liebe Eltern,
liebe Gäste,
ich fühle mich geehrt, heute anlässlich der Abiturfeier des Abijahrgangs 2022 reden zu dürfen.
Es ist eine Ehre, die mich ein wenig überraschend getroffen hat; konkret am letzten Montag. Mein Freund und SEB-Kollege Joachim Petri, Sprecher des SEB, rief mich an und meinte: Du bist in diesem Jahr dran! Ich hätte das im letzten Jahr so zugesagt. Nun stehe ich hier.
Ich hätte mir als Jugendlicher und ehemaliger Abiturient des Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasiums (Abi-Jahrgang 1993) niemals erträumt, dass ich jemals am Hans-Purrmann-Gymnasium an der Abifeier reden werde. Denn früher hatten Purrmänner mit Schwerdlern nichts zu tun.
Heute sehe ich das anders. Heute sehen auch viele unserer Kinder das anders. Ich hoffe, auch die Abiturienten, die heute anwesend sind, sehen das anders. Denn Schwerdler und Purrmänner, und um politisch korrekt zu sein, auch Purrfrauen und Purrleute sind Freunde im Geiste.
Der geborene Gegner eines Schülers ist doch zweifellos der Lehrer!
So dachte auch ich in meiner Jugend. Der Lehrer unterrichtet nicht nur. Der Lehrer stellt auch die Arbeiten und er oder sie benotet dieselben. Erhält man als Schüler 00 Punkte oder 01 Punkt, den „Gnadenpunkt“, so ist man nun einmal nicht freundlich gesinnt, sondern man sucht nach Verantwortlichkeiten.
Es kann unmöglich sein, dass das eigene Lernverhalten daran schuld ist, dass ein Ergebnis 00 Punkte oder 01 Punkt lautet. Das Lernverhalten ist schließlich „bekannt und bewährt“. Am Abend vor der Arbeit ein kurzes, entspanntes „Chillen“, dann erst einmal die anderen fragen, was denn überhaupt drankommt, eine Runde PS4 und nur eine Folge Netflix. Dann geht die Lernphase los. Nach der Arbeit darf gefeiert werden, denn das Drücken der Reset-Taste ist essenziell für ein gut funktionierendes Gehirn. Es soll schließlich nicht überlastet werden.
Es muss also am Lehrer liegen. Schuldzuweisungen an einen Lehrkörper sind legitim, also rechtens. Lehrer sind schließlich auch keine Menschen. Diese Auffassung vertritt auch der Bundesgerichtshof in Zivilsachen in seinen spickmich.de-Entscheidungen. Lehrer sind nach dieser Auffassung nämlich Teile des Staates. Daher sind sie grundrechtsverpflichtet, aber nicht grundrechtsberechtigt. Ein Lehrer muss also die Persönlichkeitsrechte der Schüler achten. Selbst hat er aber kein Persönlichkeitsrecht. Er ist nur Lehrer, kein Mensch.
Heute habe ich auch diese Einstellung revidiert. Denn in der Elternvertretung lernt man Lehrer auch außerhalb des Unterrichts kennen. Sie geben ihr Bestes, um den Unterrichtsstoff an unsere Kinder zu bringen. In Corona-Zeiten haben Sie sich doppelt und dreifach angestrengt, um „irgendwie“ den Stoff digital aufzubereiten und an den Mann, die Frau, das Kind zu bringen. Seien wir doch einmal realistisch:
Die nukleophile Substitution am Aromaten ist nicht wirklich spannend. Wann berühmte Leute geboren wurden oder gestorben sind, mag als sinnvolles Wissen erscheinen. Mit der Jugendsprache würde man aber allenfalls anmerken können:
Nice to know! That’s all!
Es ist also eine Herkules-Aufgabe, Wissen an Kinder und Jugendliche zu vermitteln. Gleichsam muss man den Kopf durchspülen, wie Herkules die zwei nahegelegene Flüsse, Alpheios und Peneios, durch die Rinderställe des Augias leitete. Man flute den Kopf mit Wissen; irgendwas wird schon hängen bleiben. Beachte: Die Konkurrenz ist groß: Eine Flut von Informationen gibt es für die heutige Jugend, die Generation Z; die Generation, die mit dem Smartphone aufwächst. Es gibt es zahlreiche Ablenkungen:
Netflix, TikTok, Instagram und Co.
Die Informationsflut zu filtern, ist eine Sache, die nur diese Generation beherrscht. Ich zumindest bekäme Schweißausbrüche, wenn mein Handy anzeigen würde, dass ich 132 neue Nachrichten bekommen habe.
Doch am Ende sollten wir eines gelernt haben:
Lehrer sind im Grunde Freunde, keine Gegner.
Die Lehrer haben Euch durch das Abi gebracht. Sie haben das gemeinsam mit Euch durchgestanden. Und glaubt mir: Der ein oder andere Lehrer hat richtig geschwitzt, damit alle, die heute hier sind, es schaffen können. Einen Applaus sollte das wert sein.
Und Ja: Lehrer sind auch ganz einzigartige Persönlichkeiten; jeder auf seine Weise, genau wie die Schüler.
Schwerdler und Purrmänner sind Freunde. Okay, vielleicht nicht alle.
Schüler und Eltern sind Freunde; meistens zumindest. Eltern wollen nur Gutes für Ihre Kinder, auch wenn man das in jugendlichem Alter nicht immer erkennen mag.
Ich danke allen Schülern von Ihren Eltern von Herzen für die aufopfernde Hilfstätigkeit im Haushalt in Corona-Zeiten. Staubsaugen, Putzen, Waschen, Einkaufen… und nicht zu vergessen: für das Abi lernen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon in der Schulzeit unter verschärften Bedingungen zu lernen. Das war sicher eine wichtige Lektion für das weitere Leben.
Was nehme ich also mit?
Seine Meinung kann man ändern. Dafür muss man nur eins tun: Nachdenken!
Wie das geht, lernten wir nicht zuletzt in der Schule. Das Abiturzeugnis, das sog. Reifezeugnis ist ein Beleg dafür, dass Ihr, liebe Abiturienten, eines könnt, nämlich selbstständig nachdenken. Tut das und ihr werdet sehen, was ihr erreichen könnt; bei Euch und bei anderen. Und wir werden alle sehen, dass man nicht gegen uns oder andere ist, sondern für uns und mit uns!
So wünsche ich Euch für Eure persönliche und berufliche Zukunft alles erdenklich Gute, als ehemaliger Schüler, als Papa und als Lehrer.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!